Ich will einen kleinen Eintrag schreiben. Bei mir ist gerade alles ziemlich normal. Positiv normal. Normal einfach. Einfach unkomplizierter als die ersten 2 Monate. Ich glaube ich habe mich jetzt Eingelebt. Es ist unwahrscheinlich überraschend wie "schnell" ich mich an einem fremden Ort einleben kann; aber: Ich glaube, dass geht beinahe jedem so. Man gewöhnt sich an alles. Auch wenn ich vor wenigen Monaten bestimmt nicht gedacht hätte, dass ich mich an so manches von hier gewöhnen könnte. Ich bin gerade ganz zufrieden mit diesem Zustand der normalität. Es ist einfach wahnsinnig erleichternd nicht ständig unter Druck zu stehen. Diesem Erwartungsdruck, den man sich selbst macht, endlich anzukommen, gut zu sprechen und alles richtig zu machen. Es ist auch schön niemandem mehr Rechenschafft schuldig zu sein. In den ersten 2 Monaten hatte ich ein eher schlechtes Verhältnis zu meinen ersten Mietern, Verstaendigungsprobleme mit meinen chefs, habe Lima und seine Menschen als verrueckt erklaert (weil alles so chaotisch ist) und hatte wenige Freunde (ist eigentlich klar am Anfang), und wenn dann Leute die einen nur als Auslaender Attraktiv fanden und die ich sonst eher nicht als Freunde haben würde und somit ein paradoxes Abhängigkeitsverhältnis. Das sich das alles so schnell gebessert hat, hätte ich nicht erwartet. Ich bin zwar nicht der Typ, der auf der Stelle tritt, hätte aber manchmal erwartet, dass alles irgendwann stagniert und bis zum Ende abgesessen wird. Aber nichts da; alles ist im Flusssssssssss....
Ich habe meine Arbeit gewechselt (fast). Die letzte Zeit im Krankenhaus war, mit den Kindern und Patienten sehr schön und ich vermisse sie schon. Auch wenn die Arbeit recht lose war und ich mich manchmal etwas verloren gefühlt habe in diesem riesigen Krankenhaus, bin ich etwas trist. Dafür bekommt alles nun neuen Schwung, doch zum neuen Projekt gleich mehr. Ich hatte die letzten 3 Wochen frei, weil das Projekt im Krankenhaus gecancelt wurde (es hat mit dem Regierungswechsel zu Ollanta zu tun, der etwas rechts ist und das Projekt nicht so mag. Bzw. die Projektleiterin wie ich gehört habe. Es existiert jedoch unter anderem Namen in ähnlicher Weise weiterhin). Naja, hatte auf jeden Fall viel Freizeit, um das Familienleben zu genießen. Ich bin nämlich zu einem Mädchen aus dem Kurame-Projekt gezogen. Ich habe hier viele schöne Sachen mit den Rund 8 Familienmitgliedern hier im Haus erlebt (Oktoberfeiertage, Stadtbesichtigungen, Einblick in die Berufe der Eltern, Besuche bei Freunden und vor allem viele Abendspaziergänge und -essen). Habe ein schönes Zimmer, eine Eiskalte Dusche zur Verfügung (prickelnd) und bekomme dort auch meistens etwas zu essen (viel Reis zb. "Nudelreis-pillaw" ). Ansonsten freue ich mich endlich etwas mehr Sport machen zu können (laufe zb, Pueblo Libre liegt am Meer, oder Krafttraining). Ach ja: Ich wohne unweit von meiner ersten Pension entfernt, im gleichen schönen Stadtteil. Mit dem Gastbruder ("kotsche") trinke ich manchmal etwas Bier (chillig), mit Ana-Claudia aus dem Projekt wird "Crash" auf PS2 gezockt. Auch zu Weihnachten bin ich dort schon eingeladen. War bisher recht nett, wenn auch mir 2 Dinge gar nicht gefallen: erstens ist die Familie ziemlich arm (Die meisten waren noch nie ausserhalb von Lima, geschweige denn von Peru; Ich werde Scherzhaft/achtungsvoll "der reisende" genannt. apropos: Manche nennen mich als Früchteliebhaber auch verniedlichend den "Mango-man" oder "Mangomann") und haben auch sonst keine wirklichen Hobbies oder beschäftigungen. Versteht mich nicht falsch, sie sind glücklich damit. Ich würde zugerne einmal Einblick in einen Kopf bekommen, wo nur Familie zählt, seinen kleinen beitrag zu leisten, vielleicht zur Schule zu gehen... Ich glaube es waäre ein Eindruck von Zufriedenheit, weil "unwichtige" oder belastende Themen so gar nicht erst entstehen. Es ist ein Leben ohne jegliche Forderungen, ohne die leisesten Ansprüche! Auch wenn es mich traurig macht (Ana's Tante sitzt meistens rum und fordert sich, vor allem geistig, meines wissens überhaupt nicht und "verschwendet", wie ich finde doch irgendwie ihre wertvolle Zeit) lässt es mich stark über meine moralischen Werte nachdenken, womit sie zufrieden sind und wo ich doch immer nur wieder etwas neues will, zwar nichts Materielles, aber immer neue Eindrücke und Spuren, die der kalte Wind der Zeit doch eh irgendwann hinwegfegt.
Jetzt bin ich auf der anderen Seite des Teichs und merke, dass für die Leute ganz andere Sachen wichtig sind.
Ich bin sehr froh in einer Familie gelebt zu haben, so bekommt man schon den besten Einblick.
Zu den letzten Tagen: Ich habe mir in den letzten Tagen ein Straßenkinderprojekt ("mundo libre")angeschaut, in la Victoria, mit Kindern die schon in Kontakt mit Drogen gekommen sind. Eine kleine Gruppe, 8 Kinder bis 16 Jahre, z.t. wahnsinnig Aufgedreht (entzugerscheinungen), Manipulativ (tienes plata?), etwas Aggressiv (lässt auf eine traurige und harte Kindheit schließen), aber die meisten habe ich schon, nach heute 2 Tagen sehr liebgewonnen. Ich denke dorthin werde ich wechseln, ein ähnliches Projekt schaue ich mir in den nächsten 2 Tagen an. Es ist in einem anderen Haus in Jesus Maria. Die Kinder sind zuerst 1 Monat in einer kleingruppe zur ersten Anpassung im ersten Haus und wechseln dann ins andere (das, wo ich morgen besuche). Es gibt viele angebote, gesten waren wir am Strand (ai, Sonnenbrand) heute war eine Musiktherapeutin da (Jippie!). In beiden Projekten gibt es viele Aktionen handwerklicher art (toepfern, Holzarbeiten) und Musikalischer (cajonsessions) und auch sonst viele Moeglichkeiten.
Am zehnten Dezember steht ein weiterer Wechsel an: In 10 Tagen wechsel ich nach einem Monat nach Miraflores, in eine WG, wo zwar auch Deutsche leben, aber auch viele andere junge Erwachsene aus vielen Südamerikanischen und Europäischen Ländern (ca 15). Das Haus ist wunderschön ("Casa Roja"), schöner Garten, warme Dusche... Wenn ich diesem überdrüssig werde (ist dort schon fast europäisch), werde ich wieder in meine Familie zurückwechseln.
War aber vorhin zum Essen da und muss sagen die gute Atmosphäre und Feierstimmung lässt schönes hoffen.
Je nachdem ob ich die nächste Zeit noch frei habe, werde ich etwas Reisen. Der Besuch einer Freundin in Arequipa und einer anderen in Trujillo steht noch an.
Ansonsten läuft alles wie schon gesagt, relativ normal. Meine Gastfamilie findet es zuweilen schon normal (und kann darüber lachen, und erschrickt sich anders als anzunehmen nicht) wenn ich in der Tür, oder sonst wo stehe und sie mit schiefem Blick mit einer selbstgezogenen Fratze anstarre. Noch scheinen sich die Peruaner über deutsche Exoten zu freuen. Die Familie kuemmert sich sehr lieb um mich und ich fuehle mich gut!
Ich habe Post bekommen. 2 Pakete. yipyap! Mein Carepaket! Ich bin den Absendern dankbar, für die Erfüllung meiner Süchte, über 2 Kilo Nussecken und einer guten Lektüre!! Und ein "original Pudding" von D. Oetker!
Ich habe mich schon daran gewöhnt, wenig und fast nichts zu haben (keine Schokolade und sonstige dinge). Ich frage mich gerade wie es wohl sein, wird wieder nach Deutschland zurueck zu kommen und auf einen Schlag alles zu jeder Zeit bekommen zu koennen... Hier in Peru gibt es auch viele Leckereien (Picarrones zb.). Mit der schmerzhaft kleinen Auswahl habe ich mich schon fast abgefunden. Hier ist Schokolade etc. leider sehr teuer und auch kaum vorhanden. Jedenfalls war ich mit dem ploetzlicen Angebot durch meine Postsendung schon fast irgendwie überfordert,
weil ich mir scheinbar das Konsumieren abgewöhnt habe. Es ist sehr schoen etwas aus der Heimat zu bekommen, es ist aber auch irgendwie merkwuerdig. Es sind eben doch zwei ganz unterschiedliche Welten. Und so scheinen meine Suechte und Verlangen mit der Zeit vehement nachzulassen. Schön eigentlich.
Mann, mann, mann. Wenn dass das Schokomonster vor wenigen Wochen lesen würde; es würde mit ungläubigem Blick grinsen...
Aber jetzt doch noch eine kleine Beschreibung als Genussmensch:
Auf trockenem Karton liegt, in einer silbernen Sänfte gleich, (alufolie), handwarmer, von Schokobrocken durchsetzter Krümelteig. Rasch aufgenommen von behutsamer Hand, flink zerkaut;
milde Herbstaromen entfalten eine farbenfrohe Geschmackessinfonie. Wie Butter zergeht das teigige Erlebnis. Einmalig buttrig, sind tausende von Haselnusssplittern, eng umschlossen. Zergessene Liebe.
PS: Wem ich bisher noch nicht begegnet bin:
- der "Unke von Quasar"
- dem "zahnlosen Elch"
- der "morbiden Wasserschlange"
- dem "Tunke-Fritt"
- "Floritos der Lustprimel"
- und Fiffe-Flachs
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