Zwischenbericht September 2011 – Januar 2012
Mittlerweile vier Monate bin ich in Peru und es wird Zeit für meinen ersten Zwischenbericht meines Freiwilligendienstes in Peru!
Ich hoffe ich finde hiermit einen Weg, um möglichst ausführlich und relevant von meinen bisherigen Erlebnissen zu erzählen. Das ist sicher nicht einfach, weil, obschon die Zeit wie im Fluge verging, so viel passiert ist und ich so viel erleben durfte. Doch wo fange ich am besten an? Am Anfang.
Nach unserer Ankunft, wurde ich, zusammen mit meinen Mitfreiwilligen, im Gegensatz zu den Freiwilligen der vorherigen Jahre, mit einem Spanischsprachkurs und einem Einführungsprogramm, von Flor, unserer peruanischen Verantwortlichen, auf Peru eingestellt. Da ich nur wenige Vorkenntnisse hatte, war der Sprachkurs sehr hilfreich. Elizabeth, eine peruanische Uniprofessorin, tat innerhalb der ersten zwei Wochen ihr bestes und versuchte neben der Grammatik, den Unterricht auch sprachlich interessant zu machen. So konnte ich mich hinterher schon etwas verständigen. Der Kurs, wie auch die Treffen mit Flor, fanden in der Prunkvollen Wohnung von einer Freundin von ihr statt (ihrer Uniprofessorin).
Mit Flor hatten wir eine Art Lima-Kennenlernprogramm. Neben einem Ausflug auf den San Cristobal, mit einer schönen Aussicht und Erstkontakt mit der gewaltigen Größe Limas, bekamen wir viele interessante Infos, zu Land und Leben. Flors Programm war interessant und auch bis in die Gegenwart war sie immer eine hilfsbereite Ansprechpartnerin.
Für die Nachfolgenden Freiwilligen würde ich aber eher die kulturellen Unterschiede der Länder untersuchen (z.B. mithilfe eines sehr interessanten Buchs aus der Reihe „Kulturschock“), als ähnliche Themen („was will ich erreichen“, „Stärken und Schwächen“) der Vorbereitungsseminare durchzukauen. Es war trotz der Seminare einfach sehr schwer, sich auf diese, in vielen Facetten, gänzlich andere Kultur einzustellen. Das fehlende Wissen über die „no-go’s“ und kulturelle Unterschiede, hat mir rückblickend, einige Male vor den Kopf gestoßen. Andererseits konnte ich so, unvoreingenommen, das peruanische Leben und seine Kultur auf eigene Faust entdecken. Ich habe versucht, die Umstände als positive Herausforderung zu sehen, war aber sehr froh, mit dem Sprachkurs, den drei anderen Voluntarios und den Einheimischen, gleich zu Anfang einen gewissen Halt zu haben. Innerhalb von zwei Monaten habe ich mich so, langsam an das peruanische Leben herangetastet. Vom deutschen weichen Leben mit Struktur, in eine harte Neue Welt, an der man sich viel leichter schneiden konnte.
Nach der Einführungszeit ging es in meinem ersten Projekt los, welches ich zusammen mit meiner Mitfreiwilligen Lena, von unseren zwei Vorgängerinnen, Marijana und Marlène übernahm:
Das Projekt „Kurame“ (in der Sprache Quechua: „heile mich“), befindet sich in Limas größten Krankenhaus („Rebagliati“). Das Projekt existiert seit drei Jahren und es arbeiten überwiegend peruanische Studenten, im Alter von 16 bis 25 Jahren, neben ihrem Studium, im Krankenhaus. Unsere Aufgabe war, kurz gesagt, die mentale Betreuung und Unterhaltung der, überwiegend kleinen, Patienten.
Die Aufgabenbereiche waren (das Projekt gibt es jetzt leider nicht mehr) in vier Module aufgeteilt, von denen wir in zwei beschäftigt waren:
1) Espacio recreativo: Mit besonderem Fokus auf die kleinen Patienten, wurde hier getanzt, gespielt, gemalt, gebastelt und musiziert. Zusätzlich gab es eine kleine Gruppe von „Kuraclowns“, die die Patienten erheiterten.
2) ABC Hospitalario: Zum einen fuhren wir mit einer kleinen, mobilen Minibibliothek durchs gesamte Krankenhaus und verliehen Bücher unterschiedlichster Themen an die Patienten, zum anderen wurden die Kinder mit unterschiedlichen Lernmaterialien (z.B. mit Matheaufgaben oder sprachlichen Angeboten) gefördert.
Nach einem etwas fließenden Übergang nach dem Sprachkurs, ging es, nach erstem Kennenlernen, im Projekt los. Wir wurden einigermaßen herzlich im Team aufgenommen und gingen erst mal in Begleitung von anderen Freiwilligen auf die Stationen. Da wir leider ansonsten keinerlei Einführung in die Arbeitsbereiche bekamen, waren wir eher auf uns alleine gestellt und mussten wir uns unsere Tätigkeiten selbst aussuchen. Die erste Woche arbeiteten wir von Donnerstag bis Sonntag. So hatte ich Zeit die Zwischentage für eine Cusco-Reise (inklusive Machu Picchu), mit zwei deutschen Freundinnen zu nutzen. Wieder angekommen wurden die Arbeitszeiten, nach ein paar Tagen, von Dienstag bis Samstag geändert, von 9-17 Uhr. Es änderte sich aber nicht nur der Stundenplan, auch eine neue Tätigkeit kam hinzu: Die Arbeit auf der Onkologie-Station (Kinderkrebsstation). Doch worin genau bestand meine Arbeit?
In dem Krankenhaus gab es ein kleines Büro, welches Randvoll mit Büchern, Spielen, Zeichen- und Arbeitsblättern vollgestopft war. Es war ein eher improvisierter Aufenthaltsraum, der Aufgrund unausreichender Sitzplätze auch nur bedingt zum Aufenthalt gedacht war. Deshalb ging es nach Arbeitsbeginn am Morgen meistens direkt in ein kleineres Nebengebäude des Krankenhauses, in dem sich die Pediatrie befand. Zuvor stattete ich mich im Büro mit der Arbeitskleidung für die Voluntäre aus und nahm etwas Spielzeug mit. Im Laufe der Zeit kaufte ich auch zusätzliches Material, da es nicht viel davon gab (z.B. einen Modellbausatz oder Holzspielzeuge). Ausgestattet, machte ich mich auf den Weg zu den Kindern. Auf zwei Stockwerken waren etwa fünzig Kinder untergebracht, die meisten in großen Aufenthaltsräumen. Die erste Herausforderung bestand im Ansprechen der Kinder.
In der Regel begann ich bei den räumlich hintersten Betten und arbeitete mich im 20 Minutentakt vor. In dieser Zeit versuchte ich, mich immer wieder aufs Neue auf die kleinen Patienten einzustellen. Das war nicht immer leicht, da ich meistens bei jedem Kind von null anfangen und eine Gesprächs- und Vertrauensgrundlage schaffen musste. Allerdings gewöhnten sich die Kinder, sofern sie länger als nur ein paar Tage blieben, schnell an mich. Erste Sprachschwierigkeiten wichen bald und, da die Kinder ein eher verständliches Spanisch sprachen, waren schnell kleine Konversationen möglich. Mir fiel allerdings schnell auf, dass die einfache Präsenz und das Mitfühlen an ihrem Schicksal und das Interesse an ihnen, für die Kinder wesentlich wichtiger war. An zwei von fünf Tagen war ich in der Onkologie. Hier war absolute Hygiene vorgeschrieben; neben langen Ärtztekitteln, gab es auch speziell desinfiziertes Spielzeug für die Kinder. Ich hatte ständig Angst die Kinder irgendwie anzustecken, selbst wenn ich kerngesund war. Selbst eine kleine Vireninfektion ist Lebensgefährlich. Den Einstieg in der Krebskinderstation hätte ich mir schwieriger vorgestellt. Es war einfach mit den Kindern in Kontakt zu kommen, sie waren regelrecht dankbar über den Besuch und wollten mich oft sogar nicht mehr gehen lassen. Von manchen Kinder kam dagegen kaum Rückmeldung, wenn sie sehr geschwächt waren. Dann habe ich zwar mehr mit mir selbst gespielt und geredet, aber das ging dann nicht anders und ich konnte auch verstehen, wenn sich das Kind mehr für seine starken Schmerzen interessierte als für „Pinochin“, die morphose Holzpuppe. Doch trotzdem kann man doch geben was man hat, auch wenn vielleicht erfolglos gegen Depressionen gekämpft wird? In besonderer Erinnerung bleibt mir ein junges Kind mit Downsyndrom, welches mit weinen Anfing, als ich es, zurück von den meinen, in die Arme seiner Mutter gab. Nach ein paar Wochen kurz bevor es zur plötzlichen Auflösung des Projekts kam, gründete ich mit zwei Freiwilligen eines anderen Projekts noch eine kleine Krankenhausband. Mit neuer Akustikgitarre spielte ich zu ihren Harfen- und Geigenklängen für die Kinder. Überhaupt entdeckte ich die Musik für mich als wichtiges Arbeitselement nach dem Motto „Klänge statt Bla“. Dieses Konzept half vor allem bei den Babys und jüngeren Kinder wunder, also nicht so viel reden. Die meisten wurden ganz still und schienen ganz von der Musik gefangen. Mithilfe des Spielens wurde schnell eine Vertrauensvolle Beziehung aufgebaut. Ein Medium, mit dem ich mit dem Kind in Kontakt treten und trotzdem eine Gewisse Distanz behalten konnte, ohne ihm zu nahe zu treten oder seine Würde zu verletzen. Und das mit Schwingungen, wunderbar! Trotzdem fiel mir oft eine peruanische Eigenschaft auf, wenn wir schon bei der Musik sind: Improvisationen waren für die meisten Kids kein Problem. Doch viele "pop"songs, die bei uns beliebt sind, konnten bei manchen Kindern keinerlei Regungen hervorrufen. Und spielt man etwas das sie irgendwie kennen, sind sie wie aus dem Häuschen. Im neuen Projekt drehen die Kinder auch immer meine heißgeliebten Radiosender weg, die bevorzugt Europäische- und Amimusik spielen. Sofort! Die Kinder scheinen geschockt zu sein etwas zu hören was sie nicht kennen (hier laufen an einem Tag etwa 10 verschiedene Lieder, immer das Gleiche!), sie sind auf Laute und aggressive Musik eingestellt und manchmal denke ich, sie können Stille gar nicht genießen. Oder sie können fremdartige Klänge einfach nicht einordnen und verbinden nichts mit ihnen. jedenfalls: Neben den Kindern auf der Pediatrie und Onkologie, für die ich auch gerne kleine Privatkonzerte gab und nur für sie spielte, waren mir zwei Jugendliche, im Hauptgebäude, sehr wichtig. Sara und Juan sind auf die Beatmungsmaschinen angewiesen und da sie selten Besuch bekamen und die familie nicht immer da war, leistete ich ihnen gerne Gesellschaft. Sarah hat mich vor wenigen Tagen zu sich nach Hause eingeladen und ich werde sie wahrscheinlich bald besuchen. Überhaupt, bekam ich ein paar positive Rückmeldungen und Einladungen, vor allem von den Eltern. Das machte meine Arbeit für mich umso wertvoller und gab mir Motivation. Am Nachmittag wurde mir eine Stunde Essenspause eingeräumt. Ansonsten war ich den ganzen Tag auf den Stationen, oder im Büro, um neues Spielzeug mit Aufklebern zu versehen oder zu ordnen. Dienstag und Mittwoch auf der Onkologie, die restlichen Tage auf der Pediatrie. Ab und zu, besuchte ich, meistens mit anderen Freiwilligen, auch Erwachsene im Hauptgebäude. Diese hatten meist viel zu erzählen und mir fiel auf, wie gelassen die meisten mit Autounfällen, Lähmungen und anderen Krankheiten umgingen. Mit den anderen Freiwilligen im Kurame-projekt verstand ich mich gut und auch die Zusammenarbeit klappte gut. Die einzige Ausnahme bildeten die zwei Koordinatoren des Projekts, mit denen ich mich zwar anfangs sehr gut Verstand, oft durch Lima zog und auch so interessante Blickwinkel auf die Stadt und ihre Kultur bekam, deren Ansichten ich aber in manchen Dingen nicht wirklich teilte. So unterstellten sie mir (mir!) Unsauberkeit und wollten, dass ich immer ein stark riechendes Deodorant verwende. Zudem sollte ich alle zwei Wochen meine Arbeitskleidung unabhängig vom Projekt, im Waschsalon waschen lassen. Auch der Wunsch, im eigens für Freiwillige und Ärzte, eingerichteten Sportzentrum mitzumachen, gestaltete sich als schwierig, da die beiden einen Imageschaden für das Projekt befürchteten. So verzichtete ich und leistete Gehorsam; nicht ganz leicht bei Projektkoordinatoren die gerade mal ein Jahr älter sind. Das war das zweite Phänomen, dass ich als Kulturschock bezeichnen könnte. Die Arbeit mit den Kindern beeinflusste das jedoch nicht.
Der erste Kulturschock stand im Zusammenhang mit meiner „Gastfamilie“: Vom ersten Monat an wohnte ich, anfangs zusammen mit Lena, meiner Mitfreiwilligen, im Mittelklassestadtteil Pueblo Libre. Die ersten zwei Monate wohnte ich hier. Anfangs freute ich mich über die neuen Freiheiten, auch darüber, alles neue Entdecken zu können, von Markständen bis zu kleinen Geschäften und Parks, allerdings machte sich bald Ernüchterung breit. Unsaubere Dachwohnungen mit Wellblechdächern und vor allem das wortkarge Italienisch-Peruanische Vermieterehepaar, welches ihre Zimmer zwar recht günstig vermietete aber Gespräche vermied und uns als Gäste und nicht etwa als Teil einer Familie betrachtete. So fühlte ich mich im neuen Land erst einmal gar nicht willkommen, zumal ich ansonsten so gut wie niemanden kannte. Die Dachwohnungen waren uns zu zugig, weshalb wir uns von Anfang an ein großes, schlecht seperiertes, Zimmer, im ersten Stockwerk teilten, bis Lena nach einem Monat umzog, da sie meinen anfänglichen Optimismus, wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben, nicht teilte. Doch auch ich wurde schnell in die Realität zurückgeholt als mir einerseits der Duschkopf einen Stromschlag versetzte und mir, auf der anderen Seite, die Vermieter erklärten, dass sie das Zimmer unten nicht mehr vermieten wollen und ich auf dem Dach wohnen solle. Glücklicherweise bot mir eine junge Arbeitskollegin ein Zimmer in ihrer Familie an.
Doch schon kurz bevor ich in die neue Wahlheimat, Anfang November, wechselte, wurde mein Projekt aufgelöst. Während die Auflösung angeblich schon seit einem Jahr im Raum stand, kam sie für uns sehr überraschend.
Die Auflösung wurde mit dem Regierungswechsel begründet. Die neue Regierung unter Ollanta, wollte scheinbar das Projekt, aufgrund von Unstimmigkeiten der Organisationsleitungen, nicht mehr tragen und hat es zumindest im Krankenhaus „Rebagliati“ gecancelt. Die mehr oder weniger gleiche Arbeit, findet fortan in einem Projekt anderen Namens statt, wo die Freiwilligen die gleiche Arbeit, unter anderem Namen machen. Für mich hieß das: Projektsuche! Ich streckte meine Fühler in alle Richtungen aus und bekam, nach zwei Wochen, von meiner Organisatorin Flor, den heißen Tipp: Ein Projekt mit Straßenkindern namens „Mundo Libre“ im Stadtteil La Victoria. Eigentlich kamen mir beim Projektwechsel Zweifel, weil mir ein Wechsel eher beliebig schien und ich mich doch um die Kinder im Krankenhaus kümmern wollte und ich mich schon auf „Kurame“ eingestellt hatte. Andererseits wollte ich schon immer mit Straßenkindern arbeiten, wie auch schon ein guter Freund in Brasilien, der darüber überwiegend positives berichtet hatte und außerdem: Warum nicht Erfahrungen in einem anderen Projekt sammeln? Nach drei Tagen Probezeit in den zwei Häusern des Projekts durfte ich etwa zwei Wochen später mit der Arbeit anfangen. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich mittlerweile schon zweimal umgezogen. Zuerst wohnte ich einen Monat in der peruanischen Gastfamilie. Die familiäre Angebundenheit war für mich sehr praktisch, da ich den arbeitslosen Monat, zwischen „Kurame“ und neuem „Mundo Libre“-Projekt, für den Ausbau meines kulturellen Horizontes und des spanisch lernens nutzen konnte. Es war das Beste, was mir passieren konnte, denn nirgendwo sonst hätte ich solch einen Einblick in den Alltag einer eher ärmlichen Familie bekommen. Etwas wehmütig dachte ich an die isolierten ersten zwei Monate, in denen mir der Familiäre kontakt gefehlt hatte. Da es aber auch weniger nette Familien gibt, war ich froh sie mir selbst ausgesucht haben zu können. Auch wenn die Familie nur sehr wenig Geld hatte und praktisch noch nie außerhalb von Peru oder Lima im Urlaub war, bewunderte ich sie für ihre genügsame Lebensart, ihre Gelassenheit, Gastfreundlichkeit und, nicht zuletzt, die Eigenschaft, sich niemals zu beklagen, über das reislastige Essen nicht und über das immerkalte Duschwasser nicht. Und auch ich fand mich schnell mit Unannehmlichkeiten ab: Ungeziefer im Bad, Trinkwasser welches immer zuerst abgekocht werden musste, dunkle Zimmer etc. Besonders freuten mich die üppigen Spaziergänge, Besuche anderer Familien und das Weihnachtsfest im Familienkreis. China, die Mutter von Ana, hat mir außerdem, zu meiner Freude, angeboten, einen bebilderten Artikel über Deutschland oder ein europäisches Reiseland zu schreiben, welches sie dann im Januar in dem limenischen Tourimusmagazin veröffentlichen will, für das sie selber schreibt. Nachdem es mir in der Familie so gut gefiel, wäre ich am liebsten noch länger geblieben, aber ich wollte ebenfalls gerne mehr Kontakte knüpfen, weshalb ich nach einem Monat in eine WG in Limas Vorzeigestadtteil Miraflores, namens „Casa Roja“ zog. Hier Leben fünfzehn Studenten und Freiwillige aus den Verschiedensten Ländern, darunter Deutschland, Niederlande und Finnland zusammen. Insgesamt 18!Die Gemeinschaft ist hier nicht ganz so stark wie in der Familie, trotzdem haben meine Mitbewohner stets ein offenes Ohr und sind unternehmungslustig, was das Leben hier sehr vielseitig macht. Bald kommt ein Filmeabend.
Ende Dezember habe ich nun endgültig im neuen Straßenkinderprojekt, Mundo Libre, angefangen, wo ich von Montag bis Freitag, von zehn bis fünf Uhr arbeite. Momentan leben sieben Kinder im Alter von neun bis sechzehn Jahren hier, bevor sie, nach einem Monat, in das „casa grande“ wechseln, wo sie weitere ein bis zwei Jahre bleiben. Das Ziel ist es, die Kinder von der Straße, bzw. aus ihren Familien, in eine sichere Umgebung, bzw. die betreuten Häuser zu holen. Da fast alle Kinder Kontakt mit Drogen hatten, werden sie innerhalb des ersten Monats ausgenüchtert und, mithilfe von pädagogischen Disziplinarmaßnahmen, innerhalb ihrer Gruppe und mithilfe von externen Lehrkräften zu Kindern erzogen, die Kontrolle über ihr Leben haben können und die Chance bekommen, hinterher ihr eigenes Geld zu verdienen. Ist quasi eine Therapie.
Der Verantwortliche des „casa acogida“ heißt Juan und kümmert sich liebevoll und mit väterlichen strenge um die Kinder (er wird, wie auch ich, „professor“ genannt), denen man eine harte Vergangenheit aus den Gesichtern lesen kann. Einem Jungen fehlt ein Ohr, viele haben Narben, die auf starke Gewalt schließen lassen. Dementsprechend sind die Kinder nicht ganz leichte, individuelle Fälle, mit denen man ganz unterschiedlich umgehen muss. Juan hat sie die Kinder bestens unter Kontrolle und so helfe ich momentan vor allem als Aufsichtsperson, bei Aktivitäten aller Art mit und bin zudem Juans linke Hand und helfe bei allen Aktionen mit. Feste Aufgaben von mir sind unter anderem die Essensverteilung und –Anrichtung sowie die Zahnpastaausgabe. Es gibt einen festen Stundenplan: Zweimal pro Woche steht Sportunterricht, mit zwei jungen Lehrern, auf dem Plan. Hier wird Stelzenlaufen und Sprungseilhüpfen mit artistischen Einlagen kombiniert. Manchmal kommt auch eine Lehrerin und wir versuchen den Kindern anhand verschiedener Videos Werte, wie z.B. Hilfsbereitschaft, nahezubringen. Außerdem gibt es viele Spiel- und Bastelmöglichkeiten. Ich versuche den Kindern zu helfen, spiele und rede mit ihnen (auch das klappt mittlerweile ganz gut), eine klare Aufgabenverteilung kommt hoffentlich noch. Zweimal haben wir schon einen Ausflug zum Strand unternommen und auch sonst wird es selten langweilig. Leichter als im „casa grande“ ist die Stimmung im „casa acogida“ familiärer. Zudem kann man bei den Kindern, innerhalb dieses Monats, einen sehr starken Entwicklungsfortschritt feststellen, was mich sehr motiviert. Zwar bleiben die Kinder nicht sehr lange, dafür ist es schön zu sehen, wie sich die Kinder, von teilweisen aggressiven Persönlichkeiten, zu ruhigen und respektvollen Persönlichkeiten entwickeln (wie z.B. der sechzehnjährige Jeremy, der zuletzt ins zweite Haus gewechselt ist, oder heute,Jesus, Jusepi und Gianmarco. Die sind superlieb und gar nicht mehr so schlitzohrig).
Peru gefällt mir bisher sehr gut. Ich bleibe hier! Für immer! -vielleicht. Wenn die Musik nur besser wäre (wobei vorhin kamen nacheinander (!) Paradise und loosing my religion) Ich denke, dass das neue Projekt eher etwas für mich ist, als das erste. Ich freue mich Straßenkindern helfen zu können und dass sie hier im Projekt einfach Kind sein können. Dass ich die Möglichkeit hatte, innerhalb von einigen Tagen nach Cusco und später auch nach Trujillo zu reisen, gab mir immer wieder neue Kraft für Lima, die eigentlich unschöne und graue Stadt, deren Attraktivität ich mehr und mehr kennenlerne. Doch es wird bald Sommer.